Feiern bis der Müllmann kommt


Antrag und Anfrage vom 16.06.2021

Die Lockerungen im Rahmen der Corona-Pandemie und das warme Sommerwetter locken vor allem jüngere Menschen in die Stadt und bis spät in die Nacht nach draußen "auf die Straße". Nach monatelangen Einschränkungen scheint sich gerade ein großer Nachholbedarf im Treffen von Freunden, Bekannten und (noch) Unbekannten Bahn zu brechen. Die Freude über das tolle Wetter, über die vergleichsweise niedrigen Inzidenzwerte und über die zurückgefahrenen Einschränkungen teilen wir. Solange friedlich, weitgehend Coronakonform, zivilisiert und mit Rücksicht auf Mitmenschen und Anwohner gefeiert wird, geht das alles in Ordnung.

Was uns Freien Wählern aber gar nicht gefällt, sind die Exzesse, die sich in letzter Zeit vermehrt zeigen - sei es bei der Lautstärke, beim Umgangston, bei der Vermüllung, bei Sachbeschädigungen oder in Sachen Gewalt gegen die Polizei und andere Ordnungskräfte.

Wir müssen leider feststellen, dass es offenbar viele - vor allem jüngere - Menschen gibt, deren Verantwortungsbewusstsein für den öffentlichen Raum und gemeinschaftliches Eigentum eher gering ausgeprägt ist. Es fehlt an Respekt vor dem öffentlichen Raum, vor Privateigentum und vor den Interessen und Rechten anderer Menschen. Zahlreiche Berichte über das nächtliche Treiben auf dem Schloßplatz, am Feuersee, auf dem Marienplatz, am Max-Eyth-See oder an anderen Orten im Stadtgebiet zeigen, dass etwas nicht stimmt und der aufkeimenden Anarchie Einhalt geboten werden muss.

Uns ist ein gutes Zusammenleben in der Stadt sehr wichtig. Wir können es daher nicht tolerieren, dass einzelne Gruppen andere Menschen durch ihr Verhalten immer stärker beeinträchtigen. In diesem Antrag wollen wir uns deshalb mit der Vermüllung des öffentlichen Raumes auseinandersetzen. Dass es damit ein Problem gibt, ist offensichtlich. Die Sauerei (Pardon!), die manche fast schon tagtäglich auf Straßen und Plätzen hinterlassen, nervt fürchterlich und lässt oft - zum Beispiel im Fall der Freitreppe am Feuersee - nur einen Schluss zu: Es schert die Feiernden nicht, wie sich ihr Verhalten auf andere Menschen und auf den öffentlichen Raum auswirkt. Einmal mehr müssen wir deshalb festhalten, dass es so nicht weitergehen kann und darf.

Wir brauchen dringend (neue) Mittel und Wege, um dem Problem der Vermüllung Herr zu werden. Es muss möglich sein, die Verursacher der Vermüllung zur Verantwortung zu ziehen. Mit "Verursacher" meinen wir übrigens nicht in erster Linie diejenigen, die Einwegverpackungen - oft mangels Alternativen (gerade in Zeiten der Pandemie) - ausgeben, sondern die Endverbraucher, die es nicht schaffen, die Verpackungen ordentlich zu entsorgen oder notfalls mit nach Hause zu nehmen.

Die Vermutung liegt nahe, dass hier Versäumnisse bei der Erziehung und falsch verstandene Lässigkeit oder eine Art Gruppendynamik durchschlagen. Aus diesem Grund müssen Prävention und Bildung sowie Kontrolle und Strafen in diesem Bereich nochmals verstärkt und ggf. verschärft werden. Wenn Regeln des guten Zusammenlebens, Respekt und Verantwortungsbewusstsein in der familiären Erziehung nicht mehr in ausreichendem Maße vermittelt werden, müssen wir dies als Gesellschaft leisten - wohl oder übel.

Gut zusammengefasst wurde die ganze Problematik schon im Oktober 2017 in der Mitteilungsvorlage 892/2017, "Konzept Sauberes Stuttgart", dessen Umsetzung der Gemeinderat in den Beratungen zum Doppelhaushalt 2018/2019 zustimmte.

Ziel aller Bemühungen muss sein, dass die Leute ihren Müll nicht einfach überall stehen und liegen lassen.

Wir beantragen und/oder fragen:

  1. Konzept Sauberes Stuttgart, GRDrs 892/2017
    1. Die Stadtverwaltung und der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Stuttgart legen - auch mit Blick auf die kommenden Haushalts- und Stellenplanberatungen - einen Zwischenbericht / eine Zwischenbilanz zum Konzept Sauberes Stuttgart vor und gehen darin auf die bisher erfolgten Aktivitäten in den vier Bereichen "A - Prävention", "B - Verstärkte Reinigung", "C - Kontrolle und Strafen" sowie "D - Öffentlichkeitsarbeit" ein.
    2. Im Rahmen des unter 1. beantragten Berichts sind uns Antworten zu den nachfolgend aufgeführten Fragen besonders wichtig:
      1. Konnten alle Personalstellen geschaffen und besetzt werden, die im Rahmen des Konzepts Sauberes Stuttgart beschlossen wurden?
      2. Konnten die in der Vorlage 892/2017 unter Ziffer 5.2 beim Buchstaben C beschriebenen Schwerpunktteams zusammengestellt und eingesetzt werden?
      3. Wie viele dieser Schwerpunktteams gibt es insgesamt und aus wie vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestehen diese Schwerpunktteams jeweils?
      4. Wann und wo waren und/oder sind diese Schwerpunktteams im Einsatz?
      5. Konnte der angestrebte "spürbar höhere Überwachungsdruck" durch den Einsatz der Schwerpunktteams hergestellt werden?
      6. Konnten seit Anfang 2018 (Start der Umsetzung des Konzepts Sauberes Stuttgart) mehr Müllsünder überführt und mehr Bußgelder verhängt werden?
      7. Haben wir - unabhängig von der Vorlage 892/2017 - an Wochenenden und vor allem nachts genügend Einsatzkräfte des Städtischen Vollzugsdienstes und anderer Einheiten, die das Treiben in der Stadt kontrollieren können?
  2. Nachtmanager / Nachtbürgermeister
    1. Die Freiluftpartys, die sich derzeit an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet abspielen, sind auch Teil des Nachtlebens in unserer Stadt. Ist der neu eingesetzte Nachtmanager / Nachtbürgermeister nur für die Clubs, Bars und Diskotheken zuständig, oder auch für das, was auf dem Schloßplatz, dem Marienplatz oder am Feuersee passiert?
    2. Andererseits: Könnte er dort irgendetwas ausrichten?
  3. Bildung und Prävention
    1. Wie stark werden die abfallpädagogischen Bildungsangebote des AWS von Kitas und Schulen nachgefragt und angenommen?
    2. Den sogenannten Hof- oder Pausendienst, den es zumindest in früheren Zeiten an den Stuttgarter Schulen gab, halten wir für ein gutes Instrument, um bei Kindern und Jugendlichen einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit dem öffentlichen Raum einzuüben. Im Rahmen dieses Hof- oder Pausendienstes sammeln die Schülerinnen und Schüler abwechselnd den Müll auf dem Schulhof ein - siehe zum Beispiel: http://www.rosenschule-zuffenhausen.de/hofdienst.php
      1. Gibt es den Hof- oder Pausendienst an den Stuttgarter Schulen noch?
        • Wenn "Ja", an allen?
        • Wenn "Nein", warum nicht?
      2. Da viele Menschen aus dem Umland nach Stuttgart kommen, um sich hier zu treffen und zu feiern, stellt sich zudem die Frage, ob es an den Schulen der Region Stuttgart den Hof- oder Pausendienst gibt?
      3. Wie bewerten Stadtverwaltung und AWS den Hof- oder Pausendienst als Bildungs- und Präventionsinstrument?
      4. Vorsorglich beantragen wir die flächendeckende Wiedereinführung des Hof- oder Pausendienstes an allen Stuttgarter Schulen und in allen Klassenstufen.
    3. Welchen Stellenwert und Umfang haben die Themen Müll und öffentlicher Raum in all ihren Facetten in den Bildungsplänen der Schulen?
    4. Wie werden die Themen Müll und Umgang mit dem öffentlichen Raum speziell an beruflichen Schulen und Hochschulen behandelt?
    5. Wie können Vereine, Verbände und Organisationen (noch mehr) dafür gewonnen werden, bei der Prävention mitzuhelfen? Wir denken hier auch insbesondere an Umwelt- und Klimaschutzorganisationen wie beispielsweise den BUND, den Nabu oder Fridays for Future.
    6. Wäre es denkbar, im Rahmen des Projektmittelfonds "Zukunft der Jugend" Projekte zu fördern, die sich mit einem guten Miteinander im öffentlichen Raum und mit dem Thema Vermüllung befassen? Könnte ggf. sogar ein Schwerpunkt auf diesen Themenbereich gelegt werden?
  4. Gastronomie
    1. Wie kann insbesondere die "to go-Gastronomie" dafür gewonnen werden, ihre Kunden verstärkt auf einen achtsamen Umgang mit dem öffentlichen Raum und das ordnungsgemäße Entsorgen von Müll anzusprechen und hinzuweisen?
    2. Bestünde die Möglichkeit, im Umfeld von Party- und Müll-Hotspots ausgegebene Einwegverpackungen mit einem hohen Pfand zu belegen, sodass sich die Kunden schon allein aus finanziellen Gründen dazu veranlasst sehen, die Verpackungen dorthin zurückzubringen, wo sie sie gekauft haben?
  5. Sofortmaßnahmen an aktuell bekannten Müll-Hotspots
    1. An jeweils aktuell bekannten Müll-Hotspots (zum Beispiel am Feuersee) werden temporär (wie auf dem Marienplatz bereits geschehen) zusätzliche und große Mülltonnen (240 oder 1.100 Liter) aufgestellt, die mindestens den Müll, der in einer Nacht anfällt, aufnehmen können. Die Mülleimer sollten so beschaffen sein, dass sie nicht um- bzw. ausgekippt werden können. Gleichzeitig sollte die Einwurföffnung für den Müll so groß sein, dass sie auch Pizzaschachteln und ähnliche Verpackungen aufnehmen kann, ohne dass die Verpackungen zuvor zerkleinert werden müssen.
    2. Durchaus interessant wäre aus unserer Sicht die Durchführung eines "Versuchs", bei dem der AWS an einem oder zwei ausgewählten Müll-Hotspots über zwei Wochen hinweg keine Reinigung der Straßen, Wege, Treppen, Plätze und Grünflächen vornimmt, um die "Feierwütigen" deutlich auf die von ihnen verursachten Probleme aufmerksam zu machen. Während dieses Versuchs dürften im betreffenden Gebiet nur die öffentlichen Mülleimer regelmäßig geleert werden. Für Freiwillige könnten ein paar Besen und Schaufeln aufgestellt werden, mit denen sie für Sauberkeit sorgen könnten.

Da der/die hier vorliegende Antrag und Anfrage sehr umfangreich ist, kann er/sie bei Bedarf gerne "scheibchenweise" beantwortet werden.